»Das Noema der Fotografie ist schlicht, banal, hat keine Tiefe: ›Es ist so gewesen‹. [...] Solche Augenfälligkeit kann der Verrücktheit verschwistert sein. Die Fotografie ist eine auf die Spitze gestriebene, aufgeladene Augenfälligkeit, gleichsam die Karrikatur nicht der Gestalt, die sie wiedergibt (ganz im Gegenteil), sondern die ihrer eigenen Existenz.«
Roland Barthes: Die helle Kammer, S. 126
Virtuosität und Revolution. Sozialer Aufstieg ist in der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) sehr schwer. Wer Talent hat, kann die Hierarchien jedoch durchbrechen. Die siebenjährige Ahri aus Pyongsong, einer Stadt nördlich von Pjöngjang, lernt seit drei Jahren Geige. Für den Besuch aus Deutschland spielt sie den Czárdás von Vittorio Monti (1868 - 1922), ein Virtuosenstück, das auch hierzulande kleine Musikerinnen und Musiker zu Höchstleistungen verleitet.
Knockdown Light. Boxen als Metapher für das Leben? Eher, so die amerikanische Schriftstellerin Joyce Carol Oates in ihrem Essay Über Boxen, könne sie sich das Leben als Metapher für das Boxen vorstellen: »... für einen dieser Kämpfe, die nicht enden wollen.« Kein Ende sieht im Lockdown auch Profiboxerin Maria Lindberg. Pandemiebedingt wurden und werden 2020 alle bislang geplanten Kämpfe abgesagt – auch ein Kampf.
Versöhnung. Am 6. April 1994 begann im afrikanischen Staat Ruanda das Morden. Innerhalb von nur 100 Tagen starben über eine Million Tutsi und gemäßigte Hutu. 20 Jahre nach dem Genozid versuchen die Menschen noch immer das scheinbar Unmögliche: sich zu versöhnen.
Hoch über dem Präsidentenpalast. Der Marabu (Leptoptilos crumeniferus) gehört zur Familie der Störche und hät sich gern dort auf, wo ausreichend Aas auf ihn wartet. So gesehen hat er eine reinigende Funktion und ist – nicht nur im afrikanischen Uganda – als nützlicher Parasit willkommen. Hier erhebt sich einer von ihnen mit seiner Beute über den Präsidentenpalast in Kampala.
Morgenstimmung in Pjöngjang, Nordkorea. Seltsam menschenleer wirkt die Hauptstadt der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) in den Morgenstunden. Seit Sonnenaufgang tönen aus ungezählten Lautsprechern in den Straßen der Stadt Melodien der aufmunternd rhythmisierten Juche-Musik. Während sich die Bewohner der Stadt auf den Weg zur Arbeit machen und die wenigen Touristen den Blick aus dem Yanggakdo International Hotel genießen, legt sich die Musik auch über den Taedong-gang-Fluss und erzählt von Revolution und Liebe.
Tiefe Töne. Normalerweise spielt Mary Tuba. Bei den Ghetto Classics, einem sozialen Musikprojekt im Slum Korogocho im kenianischen Nairobi, schlüpft sie für Konzerte aber auch immer mal wieder ins Sousaphon, das um einiges größer ist als sie selbst.
Brüder. Peter will Arzt werden, um anderen zu helfen. Dafür braucht er einen guten Schulabschluss. Keine einfache Sache für diejenigen, die in einer Blechhütte mitten im Slum aufwachsen. Seit er Geige lernt, ist Peter, was dies betrifft, zuversichtlich. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Dennis, der Bratsche lernt, spielt er bei den Ghetto Classics in Korogocho. Die Musik hilft ihm, seine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.
Linienführung. Der Fußballplatz von St. Johns liegt direkt an Nairobis größter Müllkippe. Jeden Tag trainieren hier Kinder und Jugendliche aus dem Slum Korogocho unter auch fußballerisch schwierigen Bedingungen: Oft wochenlang markiert keine Linie das Aus, auch nicht den 16er oder den Elfmeterpunkt. Da kam der Sack mit Kalk gerade recht, der für eine Nacht neben dem Platz abgelegt worden war, um am nächsten Morgen Verwendung im angrenzenden Garten zu finden. Am nächsten Morgen ... Da war der Fußballplatz endlich mal wieder ein richtiger Fußballplatz.
Handwerk. Der Soziologe Richard Sennett (selbst Cellist) schreibt: »Jegliches handwerkliches Können basiert auf hoch entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Nach einem oft verwendeten Maßstab sind gut zehntausend Stunden Erfahrung nötig, wenn jemand Schreinermeister oder ein guter Musiker werden will.« Auch der Bau eines Kontrabasses setzt eben diese Erfahrung von ›10.000 Stunden‹ voraus und fordet darüber hinaus intensiven körperlichen Einsatz.
Klosterleben. Das ›Ora et labora‹ der Benediktinerinnen ist eine lebenslange Herausforderung. Im Kloster in St. Alban am oberbayerischen Ammersee besteht die Arbeit vor allem aus der Sorge um die Kinder des angeschlossenen Sozialwaisenhauses. Daneben werden – einer alten Tradition folgend – Garten und Landwirtschadt gepflegt. Die Gebete beginnen jeden Morgen um 5.30 Uhr in der Kapelle.
Seilschaft. Gemeinsam gehen einhundert, an Brustkrebs erkrankte Frauen über den Gletscher hinauf zum Breithorn, einem Berg oberhalb von Zermatt, dessen Gipfel in einer Höhe von 4.164 m liegt. Sie wollen ein Zeichen der Solidarität setzen, untereinander verbunden im Kampf gegen eine Krankheit, die jedes Jahr allein in Deutschland rund 58.000 Frauen zu Patientinnen öffentlicher Institutionen macht und damit auch ihre persönliche Autonomie in Frage stellt.