Frau1: Was denken Sie?
Frau2 : Ich denke, wir kommen auf Bewährung raus. Sie entlassen uns nach ihren Gesetzen.
Sie beginnt, einen Liegestuhl aufzubauen.
Frau3: Gnadenlos (lacht).
Grundlage des Theaterstücks sind die ›Denktagebücher‹ der Philosophin Hannah Arendt (1906–1975), ihr ›Denkatelier‹, das offene und im Prozess befindliche Verstehen-Wollen. Die über zwanzig Jahre kontinuierlich geführten Denktagebücher, der fortgesetzte Denkprozess, wird in seiner Form des Fragmentes zu einem Atelier für das Theater.
Wie umgehen mit einer Frau, die eine der bedeutendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts war? Wie etwas über eine Frau erzählen, die ihr Leben strikt in öffentlich und privat trennte? Eine Frau, die aber trotzdem Jahre vor ihrem Tod einen Vertrag mit der Library of Congress in Washington und dem Literaturarchiv Marbach unterzeichnete, zur Dokumentation ihrer auch privaten Briefwechsel. Wie eine Frau als Frau und unter Frauen zeigen, die doch bisher nur in Verbindung mit den Männern ihrer Zeit gemessen und dargestellt wurde? Wie die Frau Hannah Arendt thematisieren ohne ausschließlich feministisch, politisch, philosophisch, jüdisch oder historisch zu sein? Kategorien, denen sie sich bereits zu Lebzeiten nicht zuordnen ließ, Kategorien, die Hannah Arendt leblos und einseitig spiegeln.
»Why is there somebody and not rather nobody« behandelt in keinem konkreten Sinn die Vorstellung dieser außergewöhnlichen Frau, weder die Darstellung ihrer Biographie noch das Werk als solches, sondern meint den eigenen Blick auf die von Hannah Arendt bedachte Welt. Ein Denkraum, der sich mit der Gemeinschaft und nicht mit dem Individuum beschäftigt, sich den Fragen nach dem Wesen von Freiheit, Arbeit und Freundschaft stellt.
Hannah Arendt hat in ihren Werken die Grenze zur künstlerischen Auseinandersetzung nie übertreten, aber an ihrer Grenzfläche berührt und ahnbar gemacht, an der die Ergebnisse ihres Denkens frei von ideologischen und dogmatischen Begehren nach Darstellung drängen, sich für das Kunstwerk öffnen. Diese Grenze von der anderen Seite begehen und das Denken Hannah Arendts zu berühren, zu verstehen und in eine eigene Form zu übersetzen, ist das Ziel dieses Theaterateliers. Das, was das leuchtende Feuer in das Kunstwerk bannt, ist das sinnende Denken.
Konzept und Regie: Annika Haller
Text: Stephanie Schiller
Dramaturgie: Katrin Breschke
Die Uraufführung fand am 21.April 2007 in Frankfurt am Main statt.